Page 70 - 35 Jahre Quedlinburger Musiksommer
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zum Chorgesang in unserer Stadt in Zukunft:… Chorar- und anregenden Impuls des weiteren Erblühens unserer
beit ist sicher nur sinnvoll, wenn alle Kraft mehr als bisher sozialistischen Nationalkultur«.
konzentriert wird. Nur sind die Voraussetzungen in ver-
schiedener Hinsicht sehr unterschiedlich. … Ein sich neu Der Oratorienchor wurde ab 1985 ständiger Gast im
formierender Chor soll zwei Aufgaben wahrnehmen. Zum Quedlinburger Musiksommer. Er gestaltete in der Regel
einen die Pflege des Erbes größerer und großer, den Gottes- die Schlosshofserenade und die Liturgische Nacht mit
dienst überschreitender Kirchenmusik, zum anderen die und als Höhepunkt für die eigene Arbeit das Ab-
Gestaltung von Gottesdiensten und dies erst einmal für die schlusskonzert.
Nikolai- und die Domgemeinde. Die Stücke für den »Die Schöpfung« von Haydn führte der Chor zwis-
Gottesdienst werden so sein, daß sie ohne weiteres auch von chen 1968 und 1997 sechsmal auf. Und doch gibt es
kleineren Gruppen gesungen werden können. Die beiden dazu eine einmalige, nur in Deutschland mögliche
anderen Gemeinden wollen erst einmal den Weg mit ihren Geschichte, welche die meisten Chorteilnehmer an »Die
selbstständigen Chorproben für den Gottesdienst wie bisher Schöpfung« 1984 erinnert. Im »erweiterten Oratorien-
fortsetzen, aus einsichtigen Gründen. Alle Sänger aus bei- chor«, wie es auf den Einladungen hieß, waren Mit-
den Gemeinden, die bislang die großen Werke mit geprobt glieder der Bonner Bachgemeinschaft unter den
und aufgeführt haben, sind herzlich eingeladen. Sängern. Es entwickelten sich Freundschaften zwischen
Das Ganze ist ein Experiment, und wir sollten auspro- den »Cousinen und Cousins« aus Quedlinburg und
bieren, ob sich nicht beides verbinden läßt. Ich erhoffe mir Bonn, die dann 1990 mit der ersten gemeinsamen Auf-
davon eine Belebung beider Aufgaben. …« Damit war lei- führung des »Elias« in der Nikolaikirche offiziell werden
der auch klar, dass der bereits von Kopf unternommene konnten. Immer wieder wird von einer außergewöhn-
Versuch, alle Chöre zu einen, wieder nicht erfolgreich lichen Chorreise erzählt, denn das Konzert in Bonn
gewesen war. 1992 war etwas Besonderes. »Wir konnten endlich auch
nach dem Westen reisen. 1992 wurden wir nach Bonn ein-
geladen. Der Bahnhofssprecher begrüßte uns, den Oratori-
enchor aus Quedlinburg. Gemeinsam mit der Bonner
Bachgemeinschaft sangen wir in der Beethovenhalle den
Elias«. (2)
Dennoch probte der Oratorienchor wie seit seiner Auch Martin Wähner berichtete 1992 von diesem Er-
Der Oratorienchor in der
Stifts kirche Konstituierung in der Regel einmal wöchentlich, nahm lebnis der Wendezeit. »Am Sonntag, dem 15. März 1992,
sich jährlich mindestens ein neues großes Werk vor und erfüllte sich für den Quedlinburger Oratorienchor ein lang
führte es erfolgreich auf, wie wiederholte Berichte in der gehegter Wunsch: Gemeinsam mit der Bonner Bachgemein-
Presse dokumentierten. Fast als Alternativprogramm schaft wurde in der Beethovenhalle in Bonn das Oratorium
muten aus heutiger Sicht die Ausführungen auf dem 10. ‘Elias’ von Felix Mendelssohn Bartholdy aufgeführt.
Kongress des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes Der Kontakt zwischen beiden Chören entstand bereits
an, die am 22.4.1982 in der »Freiheit«, dem Organ der im Jahr 1984. Damals am 27. Oktober wirkten erstmals
Bezirksleitung Halle der SED, zum Thema Kultur Teile der Bonner Bachgemeinschaft als inoffizielle Gäste bei
gedruckt wurden. »Wir brauchen eine Kultur und Kunst, der Aufführung der ‘Schöpfung’ von Joseph Haydn in
die auf tiefer innerer Verbundenheit mit unserer Wirk- Quedlinburg mit. Ein weiteres sehr eindrucksvolles Konzert
lichkeit, auf ihrem Humanismus und Lebensoptimismus unter der Leitung von Kantor Gottfried Biller fand am 18.
beruht.« Nach zwei weiteren Sätzen wird dann auf die Juni 1988 mit dem ‘Messias’ von Georg Friedrich Händel
19. Arbeiterfestspiele verwiesen als »erfolgreiche Bilanz statt. Die erste offizielle gemeinsame Aufführung eines Ora -
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